8. August 2020

Ökosystem-Ingenieur ist keine Berufsbezeichnung und auch kein neuer Studiengang. Ökosystem-Ingenieure „sind alle Lebewesen, die ihre Umwelt aktiv verändern – und zwar über ihre eigene Lebenswelt hinaus.“

Ein internationales Forscherteam  der University of California hat ein Modell entwickelt, mit dessen Hilfe sich untersuchen läßt, wie eine Art andere Spezies beeinflußt, „indem sie ihre Umwelt und damit ihre Lebensbedingungen verändern. ‘Eine zentrale Rolle kommt dabei den Ökosystem-Ingenieuren zu‘, sagt Justin Yeakel“, der die Studie geleitet hat.

Thilo Gross, Biodiversitäts-Theoretiker an der Uni Oldenburg sagt: „Spezies sind nicht nur Bewohner einer Landschaft, die Landschaft wäre ohne die Spezies gar nicht da.‘“ Es leuchtet unmittelbar ein, dass der Mensch hier eine wichtige Rolle spielt als Ökosystem-Ingenieur. Weil es uns Menschen gibt, sieht die Landschaft so aus, wie sie aussieht. Wir greifen enorm ein in die Landschaft. Das geht auch gar nichts anders. Der Mensch ist eben spezifisch, also artbedingt, nicht nur ein Naturwesen, sondern auch ein Kulturwesen. Und Kultur entsteht und besteht im Eingreifen, Gestalten, Verwandeln. Wichtig ist es natürlich, dass der Mensch nicht so sehr eingreift, dass das Ökosystem, in dem und von dem er lebt, infolge seines Eingreifens kollabiert.

„Dem Team um Yeakel ist es gelungen, die Rolle der Ökosystem-Ingenieure und ihre indirekten Einflüsse auf andere Arten in ein theoretisches Modell der in der Natur vorkommenden Netzwerke einzubauen.“ Ziel dieser Modelle ist es einerseits, die Natur in ihren Wechselwirkungen und Zusammenhängen besser zu verstehen. „Andererseits versuchen die Wissenschaftler aber auch, Entwicklungen in den echten Ökosystemen vorherzusagen. (…) ‚Wir befinden uns mitten in einem weltweiten Artensterben‘ sagt Thilo Gross. ‚Mithilfe der Modelle wollen wir unter anderem herausfinden, ob es Kippunkte gibt, an denen ein ganzes Netzwerk zusammenbricht, und wenn ja, wie weit wir in der Natur davon entfernt sind.‘ Wenn man das versteht, lassen sich vielleicht auch Warnsignale erkennen, die ankündigen, dass das System kurz davor ist zu kollabieren.“

Ein Ergebnis ist, dass in der Natur immer schon Arten ausgestorben sind und neue entstanden sind. Und klar ist auch: jedes Modell arbeitet mit „Vereinfachungen der natürlichen Zusammenhänge“, weil diese Wechselwirkungen zwischen den Arten in der echten Welt so vielfältig und komplex sind, dass sie in einem einzigen Modell nicht darstellbar sind. Dennoch kann man sagen: „Es gibt Spezies, die für das große Ganze wichtiger sind als andere. Biologen bezeichnen sie als Schlüssel- oder Keystone-Arten.“ Und klar ist auch: „Wenn eine solche Art ausstirbt, verändert sich das ganze Netzwerk und bricht unter Umständen zusammen.“ Auch in der Natur gilt also: Nicht jede Art ist gleichermaßen systemrelevant. In natürlichen Systemen haben die Ökosystem-Ingenieure eine „Schlüsselfunktion“ und sind daher systemrelevant. Die Autoren machen das an zwei Beispielen deutlich.

„Blattschneider-Ameisen etwa verbessern das Mikroklima im Boden, weil sie in ihren Nestern ausgeklügelte Belüftungssysteme anlegen. Dadurch begünstigen sie das Wachstum von Pflanzen.“ Damit gehört diese Art der Ameise zu einer Sorte von Arten, die „ihre Umwelt in einem relativ kleinen Radius um sich herum“ beeinflussen. Andere Arten „verändern die ganze Welt. Dazu gehören die Cyanobakterien, die durch Photosynthese Sauerstoff produzieren. Vor etwa zweieinhalb Milliarden Jahren stieg dadurch die Sauerstoffkonzentration in der Erdatmosphäre an, was die Lebensbedingungen komplett umkrempelte.“

Nach allem, was wir Menschen wissen, haben diese komplexen Wechselwirkungen dazu geführt, dass es das gibt, was wir haben; den einzigartigen Lebensraum auf dem Planeten Erde. Es gibt in dieser Hinsicht „keinen Planeten B“. Eine besondere Spezies ist hier auf dem Planeten Erde der Mensch – wie vor kurzen beschrieben: das einzigartige Tier – und ein global handelnder System-Ingenieur: „Auch der Mensch ist ein Ökosystem-Ingenieur, der die ganze Welt verändert. Doch anders als die Cyanobakterien formt er die Erde nicht im Verlauf von Jahrmillionen, sondern rasend schnell um.“

(Tierische Ingenieure von Tina Baier, in Süddeutsche Zeitung Nr. 181 vom 7. August 2020, S. 13)

Damit ist der Mensch ökosystemisch gedacht gleichermaßen gefährlich wie gefährdet.

Wie gefährlich der Mensch innerhalb des Ökosystems ist und wie gefährdet und verletzlich er ist, das dämmert dem Menschen in diesen Zeiten. Das Coronavirus lehrt den Menschen, wie bedroht und gefährdet sein Leben ist, wie verletzlich wir sind. Das gilt nicht nur für das Ökosystem, sondern auch für alle anderen Systeme: das gesellschaftliche und wirtschaftliche System, auch für das politische System.

Politik hat die Aufgabe, Gefahren und Gefährdungen für den Menschen einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren. Die Politikerinnen und Politiker versuchen das im Blick auf die Coronakrise: Es braucht eine wissenschaftlich fundierte Einschätzung der Gefahrenlage und entsprechende Reaktionen. Wo die Einschätzung der Gefahrenlage naturwissenschaftlich (medizinisch, virologisch) vorzunehmen ist, ist der Umgang damit auf Grundlage von sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen hilfreich. Über die Rolle der Schule im gesellschaftlichen System kann kein Naturwissenschaftler sinnvolle Aussagen machen; die muß politisch und soziologisch bewertet werden.

Der Mensch ist zweifellos in allen Systemen ein wichtiger Akteur. Zusammenhänge zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren, das ist die Sache des Menschen. Eine solche Analyse der Gefahrenlage und mögliche und notwendige Reaktionen darauf braucht es auch in der Klimakrise.

Dafür braucht es Politik. Deshalb sind gute Politik und gute Politikerinnen und Politiker wichtig für das sinnvolle und zukunftsweisende Zusammenleben der Menschen unter Berücksichtigung der natürlichen Grundlagen des Lebens. Aufgabe der Politik ist es unter anderem, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus allen Bereichen der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen und öffentlich ins Gespräch zu bringen, um auf der Basis des möglichen Wissens Entscheidungen zu treffen, die dem Leben und dem Erhalt des Lebens dienen. Wobei dieses Ziel elementares Ziel ist, das im Rahmen der natürlichen Gegebenheiten und Erfordernisse formuliert ist; die sind absolut entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Spezies Mensch. Aber sie sind für den Menschen nicht hinreichend: der Mensch will nicht nur überleben, sondern er will sinnvoll leben.

Was sinnvoll ist für das Leben und im Leben, das muß diskutiert werden, im Großen und Ganzen und eben auch für Westerkappeln. Das passiert gerade im Kommunal-Wahlkampf im Vorfeld der Kommunalwahlen am 13. September. Deshalb freue ich mich als GRÜNER auf morgen Nachmittag, wo die CDU zu Fragen der Ortskernentwicklung ins Kuckucksnest einlädt. Nach dem Gottesdienst am Morgen werde ich am Nachmittag da hingehen – so Gott will und ich lebe.

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