10. August 2020

„Grün kühlt. – Bäume, Parks und bepflanzte Dächer können (…) die Temperatur deutlich senken. Viele Städte setzen daher auf mehr Natur, haben aber ein neues Problem: Das Wasser wird knapp.“

In der Süddeutschen Zeitung gibt es samstags die Beilage „Bauen und Wohnen“. Gabriela Beck schreibt in ihrem Beitrag vom 9./10. Mai: „Hauswände, die Hitze abstrahlen wie ein geöffneter Backofen, flammende Heißluft über dem Asphalt, (…) gelb vertrocknete Rasenflächen und verdorrte Büsche… So könnte es in deutschen Städten künftig öfter aussehen.“

Gestern bin ich mit dem Fahrrad nach Lienen gefahren, wo ich zur Aushilfe Gottesdienst gefeiert habe. Auf dem Rückweg mit dem Rad über Natrup-Hagen und Leeden konnte man das am eigenen Leib spüren. Während es im Habichtswald gut auszuhalten war, wurde es auf der Tecklenburger Straße zwischen Abzweig Leeden und Bahnübergang Velpe fast unerträglich.

Klar, im klimatisierten Auto merkt man nicht, wie sich die natürliche Umgebung auf die Temperatur auswirkt. Da ist es egal, ob man durch baumlose Landschaft fährt oder durch einen Wald. Trotzdem bekommen Städte und Orte zunehmend ein Problem: Weil sie dicht bebaut und mit Straßen und Bürgersteigen versiegelt sind, so dass sich die Hitze staut. „Mit einer klugen Stadtplanung läßt sich die Überhitzung abmildern. Insbesondere Bäume und Grünflächen sind wichtig, denn sie kühlen nicht nur, indem sie Schatten werfen und Wasser verdunsten, sondern sie können auch Starkregen abpuffern und die Luftqualität verbessern.“

Gestern hatte die CDU ins Kuckukcksnest eingeladen. Das Thema war die Ortskerngestaltung. Als Referent war Dr. Böckling von planinvest aus Münster eingeladen. Er stellte die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt vor mit denselben Bildern und Worten, die ich bei der Abschlußveranstaltung 2019 in der Aula des Schulzentrums gehört hatte. Insofern war ich etwas enttäuscht. Auch die 30 Punkte, die er erläuterte, weil sie als Vorschläge eingegangen waren, wurden nicht gewichtet. Alles ist irgendwie wichtig und die Kosten hängen immer von der genauen Planung ab. Das war mir auch vorher klar.

Die einzelnen sinnvollen Maßnahmen, wie z.B. den Ortskern barrierefrei zu gestalten oder ihn deutlicher von Autos zu befreien oder – wie Dietmar Strecke in seinem Video vorschlägt – den Radweg in Ost-West-Richtung durch den Ortskern zu führen und die Straßenzüge durch eine einheitliche Farbgestaltung und Illuminationen attraktiver zu machen, alles das müßte doch in ein „Gesamtkonzept Ortskern“ integriert werden. Die GRÜNEN haben das im Mai vorgeschlagen. Eine Diskussion dieses Vorschlags im Rat wurde abgelehnt.

Überraschenderweise ist das neue Café und der neue Bioladen an prominenter Stelle im Ortskern zwischen Kirche und Rathaus als möglicher Magnet und Attraktion des Ortskerns mit Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu den Nachbarkommunen Lotte oder Mettingen gar nicht erwähnt worden. Dabei sind da auch Leute von der CDU an vorderster Stelle mit dabei und hoch engagiert.

Ich sprach in der letzten Woche mit einem Investor, der demnächst ein Lokal eröffnet. Er erzählte, dass in den letzten Monaten mögliche Pächter reihenweise abgesprungen seien, weil es in Westerkappeln innerorts kein Müllkonzept gibt, das die Entsorgung von Bioabfällen durch die Gastronomie regelt oder unterstützt.

Und dann das Anliegen, 700 Bäume zu pflanzen! Ja, bitte, aber wo und wie im Ortskern und seinen zum Teil engen Gassen. Ich als GRÜNER und wir als GRÜNE in Westerkappeln plädieren durchaus dafür, die Parkplätze „zu opfern“ und auf den frei werdenden Kleinflächen Beete mit Büschen und Bäumen anzupflanzen, die – siehe oben – Schatten spenden und die Luftqualität verbessern und den öffentlichen Raum eindeutig und unverwechselbar qualifizieren.

Man stelle sich vor, man würde die Autos konsequent aus dem Ortskern fernhalten. Dann könnte gegenüber dem Kebabhaus und der Eisdiele und zwischen Rathaus und Sparkasse ein eigener kleiner Platz entstehen, der begrünt wird und auf dem die angrenzende Gastronomie ihre Gäste bewirtet, ohne Autodurchgangsverkehr. Klar, der Zugang zur Sparkasse mit dem Auto könnte dann nicht mehr über die Große Straße erfolgen, sondern über die Konrottstraße auf den Konrottparkplatz.  

Ein weiterer kleiner Platz würde am Brunnen entstehen – der Asiagrill könnte sein Angebot nach draußen erweitern, ebenso wie ein wenig weiter die Bahnhofstraße runter vor Milano. Auch hier entstünde ein kleiner grüner Platz mit Bäumen, wenn die Autos außen vor bleiben – auf dem Parkplatz am Konrott oder am Kirchplatz. Dort stünden Transport/Einkaufs-Wagen bereit und Rollstühle, um Blumengebinde aus der Efeuranke ins Auto auf dem nahegelegenen Parkplatz zu schaffen oder die gehbehinderte Oma per Rollstuhl zum Hörgeräte-Akkustiker zu bringen.

Dr Bröckling meinte in seinem Vortrag, Westerkappeln müßte versuchen, „aus dem Nebel des Normalen“ heraus zu ragen, damit dieser Ort wahrgenommen wird. Ein konsequent autofreier Ortskern mit intelligenten Angeboten an die Kunden und Besucher wäre ein Alleinstellungsmerkmal in der Umgebung.

Grün ist… die Zukunft eines lebenswerten Westerkappelns. Denn eine normale „Stadt funktioniert wie eine heiße Herdplatte‘, sagt die Bochumer Stadtklimatologin Monika Steinrücke. ‚Je dichter Sie ihre Hand darüber halten, desto unangenehmer wird es. Auf die Stadt übersetzt heißt das: In Bodennähe ist es am wärmsten. Also dort, wo man sich am häufigsten aufhält. Weil die durch Sonne aufgeheizten Oberflächen der Straßen, Plätze, Bürgersteige und Hauswände Wärme an die Luft abstrahlen. (…) Denn die vielen Beton-, Asphalt- und Backsteinoberflächen heizen sich erheblich stärker auf als mit Pflanzen bewachsene Flächen. Hinzu kommt, dass sie die tagsüber aufgenommene Wärme speichern und nachts nur langsam wieder abgeben.“

Aus städteplanerischer Sicht spricht also alles für deutlich mehr GRÜN im Ortskern von Westerkappeln. Und wenn man sich an ein Gesamtkonzept heranmacht, weil z.B. Straßen im Zuge der Barrierefreiheit neu gestaltet werden müssen, dann sollte die Integration von Wasserspeichern und Zisternen mit bedacht werden. Denn das nächste Problem, das auf uns zukommt ist: das fehlende Wasser, der im Sommer über Monate ausbleibende Regen.

Die ZEIT macht das in ihrem Dossier deutlich. („Die Wettervorhersage. Nirgendwo in Deutschland fällt so wenig Regen wie (..) in Arten. Wälder sterben, Schädlinge machen sich breit, die Feuerwehr hat Probleme an Löschwasser zu kommen. Was hier schon Realität ist, könnte vielerorts Wirklichkeit werden.“ Von Martin Machowecz und Henning Sussebach, in Die ZEIT Nr. 33 vom 6. August 2020, S. 11ff)

Sie zeigt die Problematik der Zukunft an einem krassen Beispiel auf: Arten in Thüringen. „das sich auf den ersten Blick nicht von anderen Kleinstädten im Land unterscheidet: gut 5000 Einwohner, Kirchturm, Rathaus, Dachgeschachtel, ringsum Felder.“

Das klingt nach Westerkappeln. „Die ganze Republik verzeichnet das siebte ungewöhnlich trockene Frühjahr in Folge – einige Regenreiche Tage im Frühsommer haben das zwar vergessen lassen, aber vielerorts nicht ausgeglichen. Quer durch Deutschland zieht sich ein breiter Trockenheitsgürtel, ausreichend Wasser gibt es aktuell nur im äußersten Norden und Süden. Doch wie wunderlich das Wetter zwischen Rheinland-Pfalz und Sachsen zuletzt auch gewesen sein mag, in Arten ist es besonders speziell. Ein Ort trocknet aus, mitten in Deutschland. 2018 fielen hier noch 273 Millimeter Niederschlag, kaum mehr als in der mongolesischen Steppenstadt Ulan-Bothur. (…) Ein Ort, an dem der Regen ausbleibt. Das klingt nach einer biblischen Plage.“

Die biblischen Plagen hatten freilich den Sinn, den verstockten Pharao – den König von Ägypten – zur Besinnung zu bewegen und zur Umkehr zu zwingen. Das hat bekanntlich trotz zehnmaliger (!) Versuche nicht funktioniert. Er blieb borniert. Am Ende gab es viele Tote unter Menschen und Tieren: alle Erstgeburt mußte sterben. Die biblische Geschichte ist so nie geschehen; sie ist eine Erzählung. Sie handelt von der Notwendigkeit der Umkehr – und der Folgen, wenn diese Umkehr nicht erfolgt.

Wenn im thüringischen Arten die Zukunft Deutschlands sichtbar wird und das mit einer biblischen Plage assoziiert wird, dann ist höchste Zeit für ein Umdenken angesagt – auch in und für Westerkappeln. Deshalb haben die GRÜNEN ihre eigenen Vorstellungen von der Gestaltung des Ortskerns: grüner mit mehr Bäumen, grünen Dächern, grünen Inseln und – weitgehend autofrei. GRÜN ist… die Zukunft Westerkappelns. Den Spruch sah ich gestern an einer Laterne in Leeden – auf Leeden bezogen. Für Westerkappeln gilt es wohl auch. GRÜN ist: „Heute das Morgen gestalten!“

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