Haushaltsrede 2023: Mit Weitblick bis zum nächsten Öltank

Dr. Holger Schwetter, Ratssitzung 06.06.2023

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Ratsmitglieder, liebe Bürgerinnen und Bürger,

heute spreche ich hier in Vertretung für Ferdinand Blanke, und ich hoffe, dass es eine Rede wird, die ihm gefallen würde.

Sehr spät im Jahr kommen wir heute zusammen, um den Haushalt der Gemeinde Westerkappeln für das Jahr 2023 zu beschließen.

Eigentlich wollten wir, Rat und Verwaltung, in diesem Jahr einen mehrjährigen Konsolidierungsprozess starten, aber unser Eindruck ist, leider sind wir gescheitert. Der Haushalt kam nicht nur viel zu spät, der dazu gehörende Konsoliderungsvorschlag ist handwerklich sehr schlecht gemacht. Wo liegt der Fehler? Dazu will ich Ihnen unsere Sichtweise gerne darlegen.

Die Verwaltung hat den Haushalt zusammen mit einer Liste von über 200 Sparvorschlägen im März der Politik vorgestellt. Diese Liste resultiert aus einer Abfrage in allen Abteilungen, wo die einzelnen Mitarbeiter*innen Einsparpotentiale sehen. Dieser Schritt war sehr gut. Denn bei den Mitarbeitenden liegt die Kompetenz. Sie sehen aus ihrer täglichen Arbeit heraus, wo noch unentdeckte Einsparpotentiale liegen.

Aber was geschah dann? Diese Liste wurde dem Rat ungefiltert übergeben. Einzelne Vorschläge waren schwer nachvollziehbar, andere waren gar keine Sparvorschläge, und eine Positionierung der Bürgermeisterin dazu? Fehlanzeige. Bezüge zum Leitbild fehlen ebenfalls. Nur sehr vereinzelt, nämlich unter anderem beim Vorschlag, das gesamte Budget für eine Nachhaltigkeitsstrategie zu streichen, findet sich ein Hinweis. Ich zitiere: „Eine Nachhaltigkeitsstrategie ist im Leitbild der Gemeinde nicht priorisiert worden“ (Maßnahme Nr. 179). Eine Einschätzung der Vorschläge findet sich lediglich in einer Spalte namens „Umsetzung im Haushaltsplan“. Dort ist entweder ja, nein oder drei Striche eingetragen. Wobei zunächst nicht klar war, was die drei Striche bedeuten: eine andere Art, nein zu sagen. Manchmal gibt es Erläuterungen: Bei den Blumenampeln steht „Verwaltungsseitig wird vorgeschlagen, die Konsolidierungsmaßnahmen nicht umzusetzen“ (Nr. 170). Dort fehlt allerdings der Hinweis, dass Blumenampeln im Leitbild nicht priorisiert wurden.

Frau Bürgermeisterin, so geht es nicht. Sie sagen, die Verwaltung habe ganz unparteiisch alles auf den Prüufstand gestellt. Das ist richtig und gut so. Aber ein entscheidender Schritt fehlt. Sie als unsere gewählte Bürgermeisterin müssen die Vorschläge einordnen und zu einem Bild zusammenfassen, über das wir dann hier sprechen können. Mehr noch, ich wünsche mir eine Strategie, wie dieser Konsolidierungsprozess die Entwicklung der Gemeinde Westerkappeln in den nächsten Jahren unterstützt. Sie sind die Kapitänin und die Gemeinde ist ihr Schiff, aber es macht den Eindruck, als hätten Sie sich in den letzten sechs Monaten in ihre Kajüte zurückgezogen.

Auf eine gewisse Weise ist das gar nicht so dumm. Wenn dann die Bürger*innen an die Tür klopfen und sich über bestimmte Maßnahmen beschweren, können Sie sagen „das war ein Vorschlag der Verwaltung“ oder aber „das hat der Rat so entschieden“. Auf jeden Fall können Sie immer sagen „mit mir hat das nichts zu tun“. Für Sie persönlich mag das angenehm sein, aber es entspricht nicht dem Aufgabenprofil einer Bürgermeisterin.

Es ist ihr Job, das Schiff Westerkappeln auch durch schwere See zu steuern und zu sagen: „Da vorne geht es lang, das ist der richtige Kurs, und zwar aus folgenden Gründen“ Über diesen Kurs können wir dann hier im Rat gerne streiten – und dass wir das konstruktiv tun, das wissen Sie.

Stattdessen sehe ich hier überhaupt keinen Blick in Richtung Zukunft. Im Gegenteil, was in Richtung Zukunft weist, wie zum Beispiel eine Nachhaltigkeitsstrategie, wird hier mit leichter Hand hinweggefegt. Hauptsache, die Blumenampeln leuchten weiter schön im Ortskern. Anpassung der Gemeinde an den Klimawandel? Investitionen, die uns zukünftig Geld sparen lassen? Berücksichtigung der Gewerbetreibenden? Fehlanzeige. Stattdessen wollen Sie in eines unserer Gebäude auf den letzten Drücker noch eine Ölheizung einbauen lassen. Das Argument: Der Tank ist ja schon da. Ernsthaft jetzt? Ferdinand Blanke, für den ich hier heute – leider – stellvertretend spreche, hat in seiner Haushaltsrede 2022 „Kreativität in der Bewältigung der anstehenden Aufgaben“ gefordert. Der Weitblick und die Kreativität in diesem Haushalt reichen jedoch nur bis zum nächsten Öltank.

Der Job einer Bürgermeisterin hat zwei Seiten: Schulen und Feuerwehrgerätehäuser einweihen, Blumensträuße übergeben und Zugewandtheit gegenüber den Bürger*innen zu zeigen ist die eine. Strategisches, zukunftsgerichtetes Denken und Handeln ist die andere, mindestens ebenso wichtige Seite. Als unsere Bürgermeisterin oder auch Bürgermeister wünsche ich mir jemanden, die oder der bereit ist, die Verantwortung, die zu diesem Job gehört, voll umfänglich zu übernehmen.

Trotz der hier vorgebrachten Kritik an der fehlenden Führung durch die Bürgermeisterin möchte ich versöhnlich enden: Ich hoffe, dass dieser Haushalt 2023 nur ein missglückter erster Aufschlag in unserem Konsolidierungsprozess war. Und dass es uns gelingen wird, unter ihrer Führung, Frau Bürgermeisterin, gemeinsam einen guten Weg für Westerkappeln durch diese schwierige Phase der Haushaltskonsolidierung zu finden. Einen Weg, der in die Zukunft weist. Wir Grünen stehen dafür bereit. Auf ein Neues mit dem Haushalt 2024! Und um strategisches Denken und Nachhaltigkeit in den Prozess einzuführen, haben wir gleich einen Antrag zur nachhaltigen und kostensenkenden Nutzung des alten Feuerwehrgerätehauses mitgebracht, und der zugleich mit dem Leitbild in Einklang steht.

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen stimmt dem vorliegenden Haushaltsentwurf 2023 zu. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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