2. September 2020

Uwe Schneidewind kandidiert für die GRÜNEN für das Amt des Oberbürgermeisters in Wuppertal. Er ist Leiter des in Wuppertal ansässigen Instituts und der Autor eines Buches über „Die große Transformation“ (2018 bei Fischer, Frankfurt a.M. erschienen, 2019 bereits in dritter Auflage).

Die Ausgangslage: „Das 21. Jahrhundert verspricht ein weiteres Jahrhundert des massiven Umbruchs in der Menschheitsgeschichte zu werden.“ (Seite 9). Das ist noch nicht so sehr aufregend, denn wie die Formulierung andeutet: Davon gab es schon mehrere Jahrhunderte: das 16. Jh. brachte die Reformation und den Buchdruck hervor, das 18. Jahrhundert die Aufklärung und Emanzipation des Menschen von den Lehren der Kirche und das 19. Jahrhundert die „Industrielle Revolution“ sowie das 20. Jh. totalitäre Weltanschauungen wie den Faschismus und den Kommunismus sowjetischer Prägung. Von daher wundert es nicht, dass das 21. Jahrhundert ebenfalls ein „Jahrhundert des Umbruchs“ werden wird.

Schneidewind möchte, dass wir diese Umbrüche nicht nur erleben und erleiden, so daß die Zukunft uns nur „ereilt“, sondern er sucht „wissenschaftlich basierte ‚Erzählungen‘, die Orientierung geben für die Gestaltung eines menschengrechten 21. Jahrhunderts.“

Er fragt gleichsam, ob es eine der seltenen „Bekehrungsgeschichten“ für das 21. Jahrhundert geben könnte. Der Begriff der „großen Transformation“ bezieht sich zum einen auf eine Publikation von Karl Polansky, „Great Transformation“, der darin eine Analyse liefert „der Entbettungsmechanismen des modernen Kapitalismus“.

Der andere Bezugspunkt ist das „Hauptgutachten ‚Welt im Wandel‘ des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) aus dem Jahre 2011“ (Seite 10), das den Begriff der „großen Transformation“ ebenfalls benutzt, „um die Epochenumbrüche des 21. Jahrhunderts im Lichte einer nachhaltigen Entwicklung zu kennzeichnen“.

Schneidewind schreibt dazu: „Die Große Transformation beschreibt einen massiven ökologischen, technologischen, ökonomischen, institutionellen und kulturellen Umbruchprozess zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozeß ist keine gesichtslose systemische Dynamik, sondern von Menschen initiiert und geprägt und damit auch gestaltbar“. (Seite 11)

Anders gesagt: Wir sind der Geschichte und der Zukunft nicht einfach ausgeliefert, sondern wir sind als Akteure dabei und haben deshalb Handlungsoptionen. Wir können etwas ändern, wenn es sich dabei um menschengemachte Dynamiken handelt. Wir haben Möglichkeiten der Gestaltung.

„Bürgermeisterin kann Verwaltung“ – so lautet die Überschrift der IVZ von gestern über eine von der CDU herausgegebene Presseerklärung. Die GRÜNEN haben das öffentlich nicht bestritten, die SPD hatte da ihre Anfragen und Zweifel. Deshalb gibt es ja die Stellungnahme der CDU als Reaktion auf Zeitungsberichte der Tage zuvor.

Die GRÜNEN haben ihre Anfrage an das Verwaltungshandeln aus viel grundsätzlicherer Sicht. Es ging uns nicht um konkrete Verwaltungsvollzüge, sondern um den Grundsatz, dass alles „Verwalten“ auf kommunalpolitischer Ebene (darüber hinaus auch) einer politischen Idee und Perspektive folgen sollte. Genau dieser Wille, in Westerkappeln eine Politik zu machen, die die Zukunft nicht nur kommen läßt, sondern ihr Impulse und eine Richtung zu geben versucht, also eine Gestaltungsidee erkennen läßt, genau dieser Wille fehlt uns Grünen.

Deswegen haben wir das Motto gewählt: Gestalten statt nur verwalten. Es mag sein, dass Annette Große-Heitmeyer „Verwaltung kann“. Ich kann und wir können das von außen nicht beurteilen. Ich lese (unter anderem in der IVZ) und höre (von anderen), dass es da kritische Anfragen auch an ihrer Führung der Verwaltung gibt.

Unsere Anfrage als Grüne ist aber noch einmal grundsätzlicher: Wir haben den Eindruck, dass der Wille zur Gestaltung unseres Ortes fehlt. Wir wünschen uns mehr Initiative, mehr Impulse, mehr Innovation. Wir vermissen eine überzeugende Idee, wie Westerkappeln 2030 oder 2040 aussehen soll.

Da wir als Grüne die Nachhaltigkeit allen politischen und wirtschaftlichen Handelns für zukunftsentscheidend halten, erinnere ich hier an die „ursprüngliche Nachhaltigkeitsdefinition der Brundtland-Kommission aus dem Jahre 1987: Die Kommission bezeichnete Nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung, ‚die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.‘“ (Seite 11/12)

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