22. August 2020

Heute Morgen um viertel vor sieben auf dem Weg „ins Freie“: hinter dem Ortsausgang von Westerkappeln Richtung Seeste liegt ein Streifen dichter Nebel über den Feldern. Ein einzelner kleiner Baum ragt heraus. Auch ein Reh ist leicht „vernebelt“ in Umrissen zu erkennen. Ein Bild voller Ruhe und Schönheit, fast schon kitschig.

Abends dann in den heute-Nachrichten wird erwähnt, daß dieser 22. August der „Erdüberlastungstag“ sei; der Tag, an dem die Menschheit die natürlichen Ressourcen verbraucht hat, die innerhalb eines Jahres nachwachsen könnten.

Der Reporter, ein junger Mann, erklärt, dass wir als Menschheit im Augenblick 1,6 Erden bräuchten, um unseren Lebensstil von heute aufrechterhalten zu können. Außerdem erklärt er, dass 1990 – sein Geburtsjahr – dieser Erdüberlastungstag noch auf den 7. Dezember datierte und 2019 auf den 2. August. Der corona-bedingte Lockdown zwischen Mitte März und Mitte Mai, als der Flugverkehr zum Erliegen kam und der Autoverkehr stark reduziert und auch in China ein Lockdown wurde, hat dazu geführt, dass die belasteten und überlasteten Ökosysteme sich kurzzeitig erholen konnten.

Was für die Ökonomie, für die Wirtschaft unseres Landes in den Bereichen Luftfahrt, Hotels und Restaurants, Tourismus, Veranstaltungstechnik etc. eine Katastrophe war, war für die Ökologie ein kurzzeitiger Segen mit Erholungs- und Regenerationschancen.

Das zeigt, dass wir seit 30 Jahren einen Grundsatzkonflikt haben zwischen Ökologie und Ökonomie: unsere Wirtschaft, die uns in Deutschland den jetzigen Lebensstil ermöglicht, lebt auf Kosten der Erde und der Ökologie und zerstört Jahr für Jahr die Grundlagen des Lebens auf der Erde – mithin ihre eigenen Voraussetzungen.

Wenn es nur eine Erde gibt und keinen Planeten B, wenn wir es also nicht schaffen, in den nächsten 30 Jahren den Mars als Lebensraum für Menschen herzurichten (ist nach heutigem Stand unwahrscheinlich), dann können wir auf der Erde nicht so weiterleben wie bisher. Diese Erkenntnis ist unabwendbar.

Und damit ist klar, dass die Wirtschaft nicht unbegrenzt weiter wachsen kann, solange wir mit der Erde einen – so weit wir wissen – einzigartigen Lebensraum haben, der allerdings begrenzt ist.

Dieses Dilemma steht im Hintergrund, wenn im Zeitungsartikel der IVZ von heute (Samstag, 22. August 2020, Seite Westerkappeln) über „Bäume, Bahn und Baugebiete“ Anke Beimdiek schreibt: Die Grünen und ich als Kandidat der Grünen für das Bürgermeisteramt sprechen sich für eine andere Art von Wirtschaft aus: eine Kreislaufwirtschaft mit regionaler Wertschöpfung. Die Ausweisung neuer Gewerbegebiete und Wachstum um jeden Preis hat nicht höchste Priorität, sondern die Erhaltung der Lebensgrundlagen und Lebensmöglichkeiten der Menschen auf der Erde und im schönen (siehe oben) Westerkappeln haben absolute Priorität.

Beim Weg zurück vom Schacksel nach Hause saß am Kreuzplatz der Betreiber des Asia-Wok vor seinem Restaurant. Ich hatte die Idee anzuhalten und ihn zu fragen, was er von einer autofreien Kreuzstraße halte und der Bepflanzung des Platzes mit zwei, drei Bäumen. „Gut, sehr gut“, sagte er mit dem sympathischen Akzent, „dann kann ich hier schön machen“. Er meinte, dann könne er Tische und Pflanzen nach draußen bringen und das schaffen, was die Grünen sich wünschen: Aufenthaltsqualität im Ortskern.

Denn auch das war ja Thema beim Ortsspaziergang, angeregt durch die IVZ. Die Grünen sprechen sich für einen autofreien Ortskern aus, der die Möglichkeiten zum Be- und Entladen erhält, ansonsten aber die vorgesehenen Parkplätze auflöst zugunsten von Beeten und entsiegelten Flächen.

Priorität haben künftig Fußgänger, Fahrradfahrer und Familien (mit Kinderwagen) sowie gehandicapte Menschen mit Rollstuhl und Rollator. Wenn Westerkappeln barrierefrei umgebaut werden soll, wofür CDU und SPD ebenfalls wie die Grünen werben, dann muß diese Umgestaltung zukunftsweisend sein und nicht dem Autoverkehr Vorrang einräumen. Der Straßenzug, der beispielhaft sein könnte, ist die Osterberger Reihe in Osnabrück. Da haben die Kunden z.B. Zufahrt zu „Miele Kerber“, wo die Einfahrt 50 Meter vor dem „Grünen Jäger“ liegt, aber die Autos sind nahezu aus dem Bereich verschwunden. Wer bei gutem Wetter durch die Osterberger Reihe geht, sieht vor den Röstereien und kleinen Cafés viele Menschen sitzen.

Nun weiß auch ich: Westerkappeln ist nicht Osnabrück, aber das, was sich in der Osterberger Reihe beobachten läßt, könnte ein verheißungsvoller Weg auch für Kappeln sein.

Wie gut und sinnvoll Projekte sind, die Alternativen zur Dominanz des Autos anbieten, konnte ich am Freitagabend sehen. Da schlugen die Grünen ihren Schirm vor der Gaststätte Schoppmeier in Seeste auf. Holger Schwetter und ich, später noch Holger Kuhlenbeck und Jürgen Hill kamen mit den Menschen ins Gespräch, die auf eine Tasse Kaffee hielten. Und viele Menschen fuhren auch an uns vorbei – mit dem Fahrrad auf dem Fahrradweg, der seit 2009 durch Bürgerengagement entstand.

Das Gleiche ist ja in Westerbeck und zwischen Westerkappeln Stadt und Velpe passiert; es entstanden Bürgerradwege, die dafür gesorgt haben, dass die Bauerschaften deutlich besser an Westerkappeln angebunden wurden. Das ist aus meiner Sicht der Weg, der weiter verfolgt werden sollte. Wir als Grüne werben dafür, öfter das Auto stehen zu lassen und das Rad zu nutzen, um die schöne Natur unseres Ortes bewußt wahrzunehmen, etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun und die Umwelt sowie den Geldbeutel zu entlasten.

Parallel zur Renaissance des Fahrrades, die ja in vollem Gang ist, ist es sinnvoll, ein Grundangebot des öffentlichen Nahverkehrs zu installieren, möglicherweise mit einem Bürgerbus auf zwei Linien, einer „Nordlinie“ über Seeste und Westerbeck zum Ortskern und einer „Südlinie“, die Velpe und das Ortfeld über Metten und Langebrück an den Ortskern anschließt. Natürlich muß ein solches Angebot finanziell subventioniert werden und wie der Bürgerbus bisher mit bürgerschaftlichem Engagement betrieben werden.

Gleichwohl: das wird die Zukunft sein, wenn wir eine Zukunft haben wollen. Es geht ja nicht darum, Konzepte, die in der Vergangenheit funktionierten, aber in Zukunft absehbar zum Scheitern verurteilt sind, als zukunftsweisend fortzuführen, sondern es geht darum, umzudenken und umzusteuern und Westerkappeln für eine gute Zukunft zu gestalten. Den Einstieg in eine solche zukunftsfähige und zukunftsweisende Gestaltung unseres schönen Ortes wollen wir Grüne schaffen – mit mir als Bürgermeister.

In Seeste erzählt mir in diesem Zusammenhang einer von einem Gespräch: „In Seeste wählen doch alle CDU und Annette“. Ein Anderer  – so wurde mir berichtet – erwiderte: „Da sei dir mal nicht so sicher…“ – Also, ich würde mich über zwei, drei Stimmen (oder mehr) aus Seeste freuen und werbe um Ihre Stimme und Ihr Vertrauen in Seeste!

Aber egal, wie viele Menschen aus Seeste die Grünen und mich am 13. September als Bürgermeister wählen; der Nachmittag war sehr gelungen, die Gastfreundschaft herzlich, die Gespräche anregend. Es hat sich von daher sehr gelohnt, dort ein wenig verweilt zu haben unter dem grünen Sonnenschirm.

Einen Tag zuvor wiederum, am Donnerstag, war ein ähnlich anregender Nachmittag auf dem Demeter-Hof von Angelika Heitling, auch in Seeste. Norbert Rüße war zu Besuch, Bioland-Bauer im Nebenerwerb und seit 2010 Mitglied des Landtags für die Grünen, dessen Schwerpunkte Landwirtschaft, Natur-, Umwelt-, Tier-, und Verbrazuerschutz sind. Es entspann sich ein konstruktiver Dialog zwischen zahlreich anwesenden ökologisch wirtschaftenden Landwirten aus Westerbeck und der leidenschaftlichen Vertreterin der konventionellen Landwirtschaft.

Einerseits gibt es hier tiefe Gräben und vor allem Vorbehalte auf Seiten der Vertreter der konventionellen Landwirtschaft gegenüber der Ökowirtschaft, ob man damit eine wachsende Weltbevölkerung ernähren kann. Außerdem sei der Verbraucher nicht bereit, höhere Preise zu zahlen, die die Landwirte aber brauchen, wenn sie umweltfreundlich produzieren sollten.

Die Öko-Landwirte hielten sich in dieser Frage zurück, zeigten sich aber persönlich glücklich und zufrieden mit der alternativen Landwirtschaft. Für sie käme etwas anderes nicht mehr in Frage. Einig aber waren sich alle Landwirte, dass die Landwirtschaft unter Druck stehe – finanziell. ökonomisch und gesellschaftlich.

Ich äußerte den Standpunkt, dass sich das ändern müsse und dass ich mich als Bürgermeister einsetzen wolle für einen Dialog zwischen Verbraucherinnen und Verbraucher und Landwirtschaft. Wir müssen einander in den Bedürfnissen. Möglichkeiten und Schwierigkeiten besser kennen lernen und wahrnehmen.

Allerdings bin ich überzeugt davon, dass die Probleme der Landwirtschaft sich nicht durch Image-Kampagnen lösen lassen, sondern durch eine ehrliche Analyse der Irrwege, die sich in dem Trend seit 1960 zeigten unter dem Motto „Wachsen oder weichen“. Auch hier wird die Zukunft sein; weder immer weiter wachsen noch weichen, sondern die Landwirtschaft anders organisieren. Außerdem äußerte ich den Verdacht, dass die Landwirte in der Vergangenheit auch falsch beraten worden seien, zuweilen von den eigenen Verbandsvertretern.

Das sage ich natürlich als Laie und Verbraucher. Die Expertise muß ich mir holen – der Donnerstagnachmittag über die Frage, wie ein Ackerboden behandelt werden muß, damit er Feuchtigkeit hält und Humus bildet, war dafür ein spannender Einstieg.

Am Mittwoch beim erwähnten Rundgang mit der IVZ war die letzte Station der Sportplatz in Velpe. Auf die Frage, ob ich für einen Kunstrasenplatz sei, kam die Antwort. „Klares Nein“- Hintergrund für diese persönliche Antwort war ein Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom Vortag unter dem Titel „Kunstrasen im Abseits“ (SZ Nr. 189, Dienstag, 18. August 2020, S. 1) Darin stand zu lesen, dass „die EU-Kommission Anfang nächsten Jahres entscheiden will, ob sie die Granulate aus Kunststoff verbietet, damit weniger Mikroplastik in die Umwelt gelangt.“ Ferner: „Dass Teile des Füllstoffs durch Wind und Regen ausgetragen werden oder über Kleidung ins Abwasser gelangen können, ist unumstritten. Offen ist, wie gravierend das Problem ist.“ Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 200 Kunstrasenplätze gebaut. Ein Plattz kostet dabei mehrere Hunderttausend Euro. Es gibt bisher 800 kleinere Plätze und 5200 Großspielfelder. „Sollte das Verbot kommern, wird es einen Bestandsschutz für die vorhandenen Plätze geben und eine mehrjährige Übergangsfrist, in der die alten Füllstoffe weiter verkauft werden dürfen.“

Die SPD und Winfried Raddatz sprechen sich wie Große-Heitmeyer und die CDU für diese ökologisch umstrittenen Plätze aus, weil sie mit diesen Plätzen „die Hoffnung (hatten), eine Antwort auf ein drängendes Problem gefunden zu haben. Sie suchten nach Perspektiven für ihre eigenen Sportanlagen.“ Diese Perspektive fiel nach einem Starkregen und den Bildern davon im Netz buchstäblich „ins Wasser“. Im Netz kursiert ein Amateur-Video, auf dem zu sehen „ein überschwemmter Kunstrasenplatz (zu sehen ist), auf dem ein Teppich aus braunen Körnern treibt“, die sich Richtung Kanalisation bewegen. Dieser Artikel war der aktuelle Hintergrund für ein klares Nein zum Kunstrasen. Die Begründung noch einmal: Die ökologischen Bedenken sind zu stark. Mikroplastik in den Weltmeeren ist ein Problem, das zum Arten und Tiersterben beiträgt. Das wir unseren Beitrag zu diesem Problem leisten, können Grüne nicht wollen – und wollen wir nicht.

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