19. Juli 2020

Am Sonntag wollte ich eigentlich nichts schreiben. Tue ich auch nicht. Ich habe es gestern geschrieben. Aber in der letzten Woche habe ich mehrere Menschen gesprochen, die mir sagten, dass sie meine Beiträge gern und mit Interesse läsen. Das freut mich und motiviert mich, weiter verschiedene „Brocken“ zu sammeln und zusammen zu tragen und hier per Tagebuch zu teilen.

Deshalb gebe ich heute eine Erkenntnis weiter, die durchaus politisch ist, obwohl sie hauptsächlich mit Theologie und Religionsgeschichte zu tun hat. Es geht nämlich um den Sonntag. Das ist der Tag nach dem Sabbat, der nach biblischer Reihenfolge der letzte Tag der Woche ist, der siebente. Der Sabbat ist in der jüdischen Tradition ein herausragender Tag. Man sieht es daran, dass er in wichtigen Texten, die auch der Christenheit und dem Bildungsbürgertum und sogar dem Alltagsbewußtsein noch vertraut sind, vorkommt. Dass Gott in sieben Tagen die Welt erschuf, wissen noch viele. Wobei: wenn man in die entsprechende Erzählung am Anfang der Bibel guckt, stimmt das nur besingt. Denn eigentlich erledigt Gott das Schöpfungswerk in sechs Tagen. Am letzten Tag wird dann der Mensch erschaffen und durchaus hervorgehoben, weil Gott sich hier selbst ausdrücklich zu diesem Werk ermuntert: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei!“ –

Der Mensch ist also mit Gott gleichsam verwandt, wenn auch deutlich unterschieden: Zuerst ist Gott als Schöpfer aktiv und der Mensch ist dann und dadurch ein Geschöpf Gottes und sein Ebenbild. Das verleiht ihm seine unverlierbare Würde. Die „Krönung der Schöpfung“ aber ist der Mensch nicht. Das ist der Sabbat – der noch zu kreierende „siebente Tag“, an dem „Gott der Herr“ von allen seinen Werken ruhte, weshalb auch seine Schöpfung an diesem Tag zur Ruhe kommen soll. Wenn es also eine „Krönung“ der Schöpfung gibt , dann ist es dieser Tag – der Sabbat. An diesem Tag soll alles Geschaffene zur Ruhe kommen und sich erholen von den Strapazen der sechs vergangenen Tage – dem endlosen Schaffen an jedem Tag.

Hier bekommt der Sabbat eine eminent politische und ökologische Funktion: Die ganze Schöpfung soll zur Ruhe kommen und sich erholen. Der Mensch zuerst, weil er in nächster Beziehung zu Gott vorgestellt wird – übrigens eine Folge seiner Sprachfähigkeit und seiner Verstehensmöglichkeiten – und dann auch alle anderen Geschöpfe: Tiere und Pflanzen.

Ich kann nicht oft genug betonen, dass die Schöpfungserzählungen keine naturwissenschaftlichen Dokumentationen sind, sondern kulturelle und politische Texte, die in einer bestimmten Zeit und unter bestimmten historischen Bedingungen entstanden sind und sich darauf beziehen. Die Bibel liefert keine zeitlosen Philosophien, sondern die alle Zeit nötige Bezeugung des lebendigen und alle Zeiten wirksamen Gottes.

Deswegen stehen die Erzählungen der Bibel in keinem Gegensatz zur Evolutionstheorie oder anderen Hypothesen zur Entstehung von Kosmos und Leben. Nur Ignoranten können guten Gewissens die Erzählungen der Bibel gegen naturwissenschaftliche Erkenntnisse ausspielen. Einmal nennt man diese Ignoranten dann „Fundamentalisten“, das andere mal „aufgeklärte moderne Menschen“.

Wenn sie aber einen Gegensatz konstruieren, der in der Wissenschaft (Religionswissenschaften und Theologie) längst nicht mehr existiert, dann kann man das nur noch unbelehrbar, borniert und ignorant nennen.

Greta Thunberg und in ihrer Folge „Wissenschaftler für die Zukunft“ (scientist for future) haben uns darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig die Kenntnisnahme wissenschaftlicher Sachverhalte ist. Ich stimme dem 100prozentig zu, meine aber, das müßte dann auch für die Kulturwissenschaften und für die Theologie gelten.

Zurück zum Sabbat. Wie wichtig der Sabbat ist, wird an einem zweiten zentralen Text der Bibel und unserer Kultur deutlich, den sogenannten „10 Geboten“. Wir alle kennen einige: „Töte nicht!“ „Stiehl nicht!“ „Brich die Ehe nicht! Rede nicht falsch Zeugnis (! -ist was anderes als lügen).

Das längste Gebot aber ist das dritte und es betrifft den Sabbat. Es findet sich in 2. Mose 20 in den Versen 8-11. Das knappe Gebot „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst!“ wird ausfürhlich kommentiert und erläutert: „Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht der Fremdling, der in deiner Stadt lebt“.

Aufregend ist die Reihung: der Sohn und das Vieh und der Fremde im Land sind gleichermaßen Nutznießer des göttlichen Gebotes. Der Sabbat ist offenbar lebenswichtig, und deshalb soll er für alle Lebewesen gelten. Was hätte das für positive ökologische Folgen und was wäre das für ein sozialer Gewinn, wenn wir das heute zustande brächten: den regelmäßigen Lockdown an jedem siebenten Tage, damit die Schöpfung sich erholt: Menschen, Tiere und Pflanzen finden Ruhe und Erholung.

Hat irgend jemand noch Zweifel daran, dass die biblischen Texte eminent politisch sind und weitreichende Folgen haben für Ökonomie und Ökologie und für das soziale Leben? Als Christen, die sich in allen Parteien finden, sollten wir diese großen Themen auch miteinander diskutieren.

Der Sonntag ist der Tag nach dem Sabbat. Da kommen nach den Erzählungen der Evangelien Frauen zum Grab Jesu – und finden es leer. Aus dem Dunkel der Grabeshöhle ertönt die Kunde: Jesus ist auferstanden! Diese Botschaft ist die Ur-Kunde des Christentums, unser kultureller Urknall. Der Tod hat keine Macht mehr über uns.

Auch das ist eine wichtige Botschaft zum morgigen 20. Juli. Die gescheiterten Attentäter auf Hitler haben für ihre Tat mit dem Leben bezahlt und sind getötet worden. Die Täter werden damit leben müssen, dass ihre Taten gesühnt werden. Denn mit dem Tod kann nach Christi Auferweckung kein Mensch mehr ernsthaft rechnen. Deshalb ist der Sonntag für Christen wichtiger geworden als der Sabbat; es ist der erste Tag einer neuen Schöpfung, in der ganz andere Bedingungen herrschen als in der ersten. In diesem Sinne: einen gesegneten Sonntag! Geheiligt werde der Name des Herrn und sein Tag!

Allerdings, in diesem Zeiten zu betonen. Der HERR Jesus ist der am Kreuz gestorbene „König der Juden“. Antisemitismus und Verunglimpfung jüdischen Glaubens und Leben gehen mit Christentum nicht zusammen. Deshalb gilt auch für Christen, die durch ihren Herrn das sog. „Alte Testament“ lesen dürfen: „Gedenke des Sabbattages!“ Das Neue Testament hebt das Alte nicht auf. Christen können also doppelt feiern und sich glücklich schätzen: über das Geschenk des Sabbats und über das Geschenk des Sonntags!

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