11. September 2020 11. September 202014. September 2020 11. September „Wende zum weniger“ – so ist eine kleine Serie der ZEIT im Wirtschaftsteil überschrieben. Damit ist in wenige Worte gefaßt, was wir Grüne uns wünschen, weil mit einem solchen Ansatz in der Wirtschaft die gegenwärtig noch vernünftig erscheinende Dynamik der Zerstörung der Grundlagen unseres Lebens gebremst werden könnte. Eduard Appelhans ist ein Unternehmer aus dem Sauerland. Er ist „ein Mann, der dazu beitragen könnte, dass ein Gesetz eine neue Art von Unternehmen begründet. Unternehmen, für die Wachstum kein Selbstzweck mehr ist“. Im Hintergrund steht die eigene Familiengeschichte. Eduard Appelhans erzählt von seinem Vater, der „aus einer kleinen Schreinerei einen großen Handwerksbetrieb gemacht hat und so die Firma fast zerstört hätte. (…) ‘Er mußte immer mehr ranschaffen, er konnte nicht raus aus der Wachstumslogik, weil so eine Firma wie ein Moloch frißt und frißt‘, sagt Appelhans.“ Als der Sohn 1984 den Betrieb übernimmt, will er „aus dem Wachstumszwang raus und Unternehmertum anders denken.“ Auch Frederik Laloux beschäftigt sich mit dieser Frage. „Multinationale Konzerne“ so schreibt er, „streben Wachstum um des Wachstums willen an (…), ‚in der medizinischen Terminologie würde man das einfach als Krebs bezeichnen‘“. Das ist ein drastisches Bild, das aber sehr sprechend ist. Die Wirtschaft und das ihr zugrunde liegende Paradigma, ist, so gewohnt sie uns erscheint, unsichtbar krank in ihrer Logik. Sie folgt einem Gesetz, das in anderen Lebensbereichen lebensgefährlich ist und das deshalb mit höchstem Aufwand und diversen Behandlungsstrategien therapiert wird. Nur in Wirtschaft und Landwirtschaft hält man etwas für „gesund“ und vernünftig, was in anderen Lebensbereichen krank und zerstörerisch ist. Wir als Grüne würde im Bereich der Ökonomie tatsächlich unseren Beitrag leisten wollen, hier zur Heilbehandlung zu ermutigen und Ökonomie noch einmal anders zu denken. Wir werden dafür immer noch als „spinnerisch“, traumtänzerisch und unrealistisch wahrgenommen, wie mir einige Gespräche im Wahlkampf zeigten. Dabei ist es umgekehrt: eine Wirtschaft, die unbemerkt und ihre eigenen Widersprüche verdrängend keine Grenzen kennt und sie permanent ignoriert, ist unrealistisch, weil der Markt, auf dem sie agiert – „die Erde“ und „die Welt“ – Grenzen hat. Die Grenze, die längst erreicht und überschritten ist, ist die ökologische Verträglichkeit und Belastbarkeit des Systems Erde, von dem die Ökonomie lebt und profitiert. Deshalb ist modernen Unternehmern wichtig, „dass die begrenzten natürlichen Ressourcen weiter verwendet werden“. „Sie wüßten, dass herkömmliches Wachstum nicht dasselbe wie Wohlstand sei. Es gehe ihnen daher um einen purpose, um Sinn, Zweck, Bestimmung.“ Im Rahmen dieser Überlegungen kann es sogar dazu kommen, dass die Firma freiwillig „enteignet“ wird – weil die Chefs selbst das wollen. Appelhans ist so ein Chef, der nach Möglichkeiten sucht, den Betrieb der Firma von privaten Kapitalinteressen zu lösen und ihr eine Rechtsform zu geben, die die Firma in Zukunft sinnvoll überleben läßt. Das geht – so die Überzeugung dieser Leute – nur durch die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Armin Steuernagel ist der Mann, der in der Biobranche schon unterwegs war und nachhaltig produzierte. „Wir tun hier was Gutes, Sinnvolles“, hat er seinen Beschäftigten erzählt: „Bis eine Mitarbeiterin ihn fragte, ob sie wirklich für den guten Zweck arbeite – oder am Ende doch nur, um sein Vermögen zu mehren.“ Steuernagel sei zuerst vor den Kopf gestoßen gewesen, schreibt der ZEIT-Autor, bis er verstand, „dass sie recht hat‘. „Die Firma sei sein Eigentum, am Ende könne er mit ihr machen, was er wolle – wie mit einem Sack Kartoffeln. Seitdem hat Steuernagel eine Mission, und die Zahl seiner Mitstreiter wächst.“ Die Idee: Sie wollen Firmen in ‚Verantwortungseigentum‘ aufbauen. Das sind Firmen, „in denen nicht mehr Blut oder Geld darüber entscheidet, wem sie gehören und wer sie lenkt, sondern die ‚Werteverwandtschaft‘ der Menschen, die in ihnen arbeiten.“ (Glücklich enteignet. Unternehmer schwören der Profitmaximierung ab und trennen sich sogar von ihrem Besitz. Wozu soll das gut sein?, von Jens Tönnemann, in Die ZEIT Nr. 33 vom 6. August 2020, S. 20) Wir Grüne sind eine politische Partei. Wir können keine Unternehmen gründen und wollen das auch nicht. Wir wollen aber Menschen unterstützen, die Unternehmen gründen wollen oder schon besitzen und die nach Wegen suchen, wie sie ihr Unternehmen in eine sinnvolle Zukunft führen, die dem Wohl des Ganzen, also der Gesellschaft und der Schöpfung dient. Denn letztlich hat es „Ökonomie“ – theologisch gesprochen – mit „Haushalterschaft“ zu tun. Deshalb sind die Worte im Griechischen so verwandt: Ökologie und Ökonomie. Es geht in beiden Fällen um das Leben und dem, was dem Leben dient. Da sind wir gesamtgesellschaftlich noch auf einem falschen Weg; wir Grüne wollen neue Pfade entdecken, die eine bessere Zukunft verheißen als die, die sich einstellt, wenn wir weiter so zerstörerisch leben wie bisher.