28. August 2020

Auch als Zeitungsleser einer bestimmten Zeitung hat man bestimmte Lieblingsautoren, denen man viel Erfrischendes und Weiterführendes zutraut und verdankt. Thomas Assheuer, der häufig für die ZEIT schreibt, gehört für mich dazu, und Lothar Müller bei der Süddeutschen Zeitung.

Er gibt Hegel die Ehre mit der Überschrift „Die Zeitung als Morgensegen“ (Süddeutsche Zeitung Nr. 197 vom 27. August 2020, S. 11) und schreibt im Gedenken daran, dass Hegel in den Jahren 1807 und 1808 für die Bamberger Zeitung als Redakteur Leitartikel schrieb:

„Viele, darunter Goethe, (…) sahen in den Zeitungen Brandbeschleuniger, die Parteigeist und Zwist in die Privatsphäre hineintrugen. Hegel hatte (…) ihre andere Seite entdeckt: ‚Das Zeitungslesen des Morgens ist eine Art realistischer Morgensegen. Man orientiert seine Haltung gegen die Welt an Gott oder an dem, was die Welt ist. Jenes gibt dieselbe Sicherheit wie hier, dass man wisse, wie ,man daran sei.‘ “

Das ist doch mal eine Würdigung der Zeitung: Was der Gläubige an Gott findet, „zu wissen, wie man dran sei“, findet der Zeitungsleser eben hier; durch die Zeitung vermittelt an der Welt. Auch hier kann es sein, dass Hegel sich fulminant irrte, weil er die Welt des 21. Jahrhunderts nicht kennen konnte, aber der Gedanke ist gleichwohl bestechend:

„In der Welt geht es drunter und drüber, aber zum Glück gibt es ein Medium, dass dieses Drunter und Drüber in den bürgerlichen Alltag integriert. Luthers Text für den Morgensegen und den Abendsegen war im Gesangbuch zu finden. Hegel entdeckt, dass die Zeitungen den religiösen Alltagsritualen Konkurrenz machen. Die Unruhe der Zeit geht in sie ein, aber ihr periodisches Erscheinen, ihre verläßliche Wiederkehr Tag für Tag hat etwas Beruhigendes. Der realistische Morgensegen beerbt das Gottvertrauen, indem er gegen die Schreckensnachrichten das Weltvertrauen durch das Bewußtsein stärkt, zu wissen, wie man daran sei‘.“

Ich lese – man merkt es wohl – sehr gerne Zeitung. Ich tue das, weil ich wissen möchte, woran ich bin „in und mit der Welt“. Aber ich widerspreche Hegel an dieser Stelle: Weltvertrauen gibt mir die Lektüre nicht. Im Gegenteil: Ich erlese die Welt als eine aus den Fugen geratene. Wenn ich kein Gottvertrauen hätte, machte mir die Zeitung Angst. Da ich aber an Gott glaube und ihm vertraue, regt mich die Zeitung an.

Ich kann hier der IVZ nur im Anschluß an Hegel ein Kompliment machen: Ich lese die IVZ wegen ihres Regionalteils, weil sie mir „die Welt“ aus Mettingen, Recke, Lotte und natürlich Westerkappeln „vergegenwärtigt“. Natürlich bringt sie vor allem in Zeiten des Wahlkampfs auch „Parteigeist und Zwist“ an den morgendlichen Küchentisch, aber das ist doch neben allem Aufregenden auch ein wichtiger Beitrag zur Orientierung.

Außerdem leistet sich die Ibbenbürener Zeitung eine gut besetzte und daher auch gut arbeitende und gut schreibende Lokalredaktion. Deswegen nach den Glückwünschen Richtung Hegel auch Glückwunsch nach Ibbenbüren: es ist für mich die Überraschung dieses Jahres! Überraschend, weil ich mich zuvor nicht für ein Abo neben der Süddeutschen und der Zeit entscheiden konnte. Jetzt habe ich noch ein Zeitungs-Abo – und bereue es nicht.

„Gottes Wort für jeden Tag“, ausgesucht in den Losungen, gehört für mich allerdings auch dazu – am 28. August 2020 steht da: „Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir.“ Das steht – wie gesagt – nicht in der Zeitung, sondern in Psalm 62,3. Dazu das passende Wort aus dem Neuen Testament: „Jesus spricht: Wen da dürste, der komme zu mir und trinke.“ (Johannes 7,57).

Und als geistliche Anregung von Frieder Burkhard darunter:

„Wenn wir beten, halten wir Rast

bei größerem Frieden als unserem eigenen,

atmen wir den frischen Wind einer großen Gerechtigkeit,

spüren wir den Hauch eines liebevollen Geistes,

gönne wir uns eine Wahrhaftigkeit, die uns die Augen öffnet.“

In Anlehnung an Hegel gesprochen: Im Anderen komme ich zu mir selbst, am Fremden finde ich in einen größeren Frieden, im Außer-mir-Sein ist Wahrheit und Geist: bei Gott glücklich zu Hause.

Artikel kommentieren

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.