16. Juli 2020

Keine Frage: die Landwirtschaft ist ein altes grünes Thema. Viele Landwirte, die mit der herkömmlichen, sogenannten konventionellen Art der Bewirtschaftung der Böden und der Äcker und der Art der Tierhaltung nicht zufrieden waren, haben nach Alternativen gesucht und sich zusammen geschlossen: zu Bioland- oder Demeter-Gemeinschaften, die anders arbeiteten als üblich. Viele von diesen Landwirten aus den frühen 80er Jahren haben die Grünen mitbegründet.

Auch heute noch ist die Landwirtschaft bei den Grünen ein zentrales Thema. Die „Landwirtschaft als wichtiger Beitrag zum Natur- und Umweltschutz“ ist einer der drei Schwerpunkte im aktuellen Wahlprogramm der Westerkappelner Grünen.

Die IVZ berichtet heute, dass „den Landwirten – Jung und Alt – der Wind eisig ins Gesicht“ bläst. „Besonders unter Druck stehen zurzeit die Schweinemäster und Ferkelerzeuger.“ Das Wort kann einen freilich das Gruseln lehren: „Ferkelerzeugung“, das klingt nach einem Produktionsvorgang. Andererseits ist es das ja auch: Die Aufzucht von Schweinen und deren Schlachtung ist ein zeitlich genau getakteter Produktionsprozeß. Vor wenige Tagen stand ebenfalls in der IVZ zu lesen, dass die Schweine zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlachtet werden müssen, damit sie das Idealgewicht haben und als Fleischstück genau das passende Gewicht haben, damit sie in die Verpackungen passen. Nur bei Ablieferung des Schweins mit diesem verbraucher- und verpackungsfreundlichen Idealgewicht gibt es den besten Preis. Insofern laufen moderne Schweinebetriebe wohl unter optimalen Produktionsbedingungen. Und genau die sind gerade gestört, weil der größte deutsche Schlachthof Tönnies, seit Mitte Juni geschlossen ist. 25 000 Schweine können jeden Tag nicht fristgerecht verarbeitet werden. Innerhalb von vier Tagen entsteht so ein „Stau“ von 100 000 Tieren. Obwohl Tönnies auf das ganze Land betrachtet „nur“ für eine Schlachtkapazität von 14 % steht, fehlen durch die Schließung „in NRW 40 % der Schlachtkapazitäten“ – so Frank Klausmeyer in seinem Artikel unter der Überschrift „Familienbetriebe unter Druck“.

Auch sonst gibt die Wortwahl im Zusammenhang von lebenden Tieren, – Christen sprachen vorzeiten mal im Anschluß an die erste Schöpfungserzählung von Mitgeschöpfen -, zu denken.

Die NRW Landwirtschaftsministerin Heinen-Esser, Nachfolgerin der wegen der schlimmen Zustände im familieneigenen Schweinemastbetrieb zurück getretenen und ebenfalls in Westerkappeln anwesenden Christina Schulze Föcking, sagte, „die Frage sei, wie lange die Veredelungsbetriebe das aushalten könnten. Problematisch sei nicht nur die Lage der Schweinemäster, die nicht wissen, wo sie mit ihren schlachtreifen Tieren bleiben sollen, sondern auch die der Sauenhalter, weil diese einerseits keine Ferkel absetzen können und andererseits schärfere Regeln für die Sauenhaltung drohen“, die bei niedrigen Preisen hohe Investitionen nach sich ziehen.

Bei allem Verständnis für die Lage und für den Druck: die Sprache bleibt schrecklich: Ferkelerzeugung, Veredelungsbetriebe, Schlachtreife – hier wird nach meinem Eindruck über „Material“ geredet. Und das tut (mir) weh.

Gleichzeitig tun mir die Landwirte aufrichtig leid. Für mich aber kann das nur bedeuten: Das ganze System ist krank. Es kann und darf so nicht weitergehen. Wir tun den Menschen keinen Gefallen, die für uns Landwirtschaft betreiben, und wir tun uns selbst keinen Gefallen, wenn wir eine solche Art der Landwirtschaft gutheißen.

Menschen und Tiere leiden in diesem System und unter diesem System. Die einzige Konsequenz kann aus Sicht der Grünen nur sein: die Rahmenbedingungen ändern.

Wenn  die Landwirte darauf verweisen, dass eine „Verlagerung der Veredelung nach Osteuropa“ dem Tierwohl kaum nutze, ist das wohl richtig. Aber der Hinweis hilft dem kranken System in Westeuropa eben auch nicht. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob Imagekampagnen der Weg aus der Krise sind.

Ich war im November 2018 auf einer hochkarätigen Tagung zum Thema Landwirtschaft in Schwerte. Dort waren Professoren und vor allem Junglandwirte dabei aus Südwestfalen. Sie sahen ihre Zukunft in besserer Technik: Aus dem All gesteuerte Hochleistungsgeräte, die die optimale Menge an Gift auf die Felder bringen und so – durch weniger und zielgenauer eingesetzte „Pflanzenschutzmittel“ – einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Aus meiner Sicht stimmt an dieser Logik was nicht. Ich fühle mich an Adornos berühmten Satz erinnert: Es gibt kein richtiges Leben im verkehrten. Für mich ist das ganze System „verkehrt“ und nicht zukunftsweisend. Die (konventionelle) Landwirtschaft aber setzt seit Jahrzehnten auf diese Strategie.

Deshalb stimmt es mich traurig, wenn ein  Jungbauer aus Dreierwalde sagt, es gebe „eine Reihe von Landwirten, die sich wegen des Drucks in psychologischer Behandlung befänden“. Das ginge so weit, dass sich einige „Landwirte das Leben genommen hätten“, weil sie „gar keinen Ausweg mehr“ sähen.

Das alles ist furchtbar und zeigt mir: Diese Art des Denkens und Wirtschaftens in der Landwirtschaft, wie wir es in den vergangenen Jahrzehnten praktiziert haben, führt ins Leiden für Menschen und Tiere. Die Grünen wollen, dass sich an dieser Situation etwas ändert. Und ich selbst will das auch.

„Landwirtschaft im Dialog“, das wäre tatsächlich ein wichtiges Projekt für die Zukunft: aber es müßte ein Dialog werden, in dem die bedrückende und z.T. ausweglose Lage ehrlich benannt wird. Und zu dieser Ehrlichkeit gehört, dass nach Umfragen immer mehr Menschen diese Art der Landwirtschaft ablehnen. Aldi gilt inzwischen als der größte Bio-Händler in Deutschland. Dass Größe und Marktmacht immer zum Problem werden können, das kann die Biobranche aus der Geschichte der konventionellen Landwirtschaft lernen.

Bei dem Termin in Seeste auf dem Hof Leyschulte, zu dem „die CDU-Landtagsabgeordnete Christina Schulze Föcking“ eingeladen hatte, waren neben der Ministerin „auch der Landratskandidat Matthias Krümpel und Bürgermeisterin Annette Große-Heitmeyer“ mit dabei – wie die IVZ berichtet. Natürlich war die prominent zusammen gestellte Gruppe von CDU-Politikerinnen und Politiker auf dem Hof, um über die Sorgen und Nöte der Bauern zu hören; aber müßten im Dialog nicht auch die z.T. selbstgemachten Probleme und Sackgassen benannt werden? –

Man muß den Eindruck haben, als ob ausgerechnet die CDU hier den Landwirten einen Bärendienst erweist, indem sie unsere Landwirte nicht zu anderen und neuen Wegen ermutigt. Die Grünen wollen das: werben für eine nachhaltige und ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft, die auch den gesellschaftlichen Druck auf die Landwirte mindert und jungen Landwirten tatsächlich als bäuerlich geführte Familienbetriebe eine mögliche Zukunft aufzeigt. Die Lage jetzt ist jedenfalls zur Zeit offenbar so, „dass auf kurz oder lang viele Bauern hinschmeißen“ könnten, wie ein Junglandwirt aus Ladbergen formuliert. Und so weit ich weiß haben in den letzten Jahren und Jahrzehnte viele schon hingeschmissen. Wann ist Schluß mit dem „weiter-so“?

Gewiß, es ist Wahlkampf. In diesem Zusammenhang erschien der Bericht in der IVZ, ebenso wie der darunter stehende Artikel über den Besuch von Winfried Raddatz bei der Wespe e.V. – Und in diesem Zusammenhang formulieren ja auch wir Grünen unsere Überlegungen und werben für unser Programm.

Trotz Wahlkampf liegt mir eine Klarstellung am Herzen, weil in Facebook darüber diskutiert wurde, wie mir zugetragen wurde.

Ich selbst bin nicht auf facebook und werde es auch nicht sein. Ich persönliche habe zu große Vorbehalte gegenüber diesem Konzern und seinen Geschäftspraktiken. Aber das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Natürlich finde ich es gut, wenn bei facebook öffentlich und kontrovers über politische Themen diskutiert wird. Eine Nutzerin fragte wohl auf facebook, ob Eden 2020 e.V. ein „grünes Projekt“ sei.

Dazu muß man sagen: Nein! Menschen aus allen Parteien finden  sich in dem Verein zusammen. Ich selbst streiche immer wieder mit einem Kandidaten der CDU im Laden und ich habe schon „Thekendienst“ mit Winfried Raddatz gemacht, der bekanntermaßen der SPD zuzurechnen ist. Eden 2020 ist also ein partei-übergreifendes und überkonfessionelles bürgerschaftliches Projekt. Trotzdem ist bekannt, dass meine Frau als 1. Vorsitzende Pastorin ist und dass ich ein solches Café und einen Bioladen für ein verheißungsvolles Projekt im Rahmen der Ortsentwicklung halte. Trotzdem ist es kein kirchliches Projekt. Eine anfänglich kleine Gruppe evangelischer Christen ist seit November 2018 an der Idee „dran“ -übrigens als Folge der schon erwähnten Tagung. Die Grünen haben als einzige sich als Partei insgesamt schon sehr früh bei der ersten öffentlichen Zusammenkunft im November 2019 hinter diese Idee gestellt.

Um diese Idee und das ganze Projekt nicht in die Nähe eines „Geschmäcke“ zu bringen, habe ich mich erst sehr spät entschlossen, für die Grünen zu kandidieren, – als es nämlich lange Zeit so aussah, als gäbe es bei der Kommunalwahl 2020 keine Alternative. Und das finde ich immer schlimm und schade: wenn es keine Alternative gibt.  

Deswegen habe ich mich trotz meines weithin bekannten Engagements  in diesem Projekt Eden 2020 aufgrund dieser Lage zur Kandidatur entschlossen – nicht wegen dieses Projektes. Wenn man hier fragt, wo die Henne und was das Ei ist, dann ist es sowohl in sachlicher wie in zeitlicher Reihenfolge so: Seit November 2018 gärt die Idee „Rest von Eden“ und seit Februar 2020 rückte die Möglichkeit einer Kandidatur für die Grünen ins Blickfeld. Nun gibt es drei Bewerber um das Amt des Bürgermeisters. Und es gibt Mitglieder aus allen Parteien und Konfessionen und Konfessionslose im Projekt Eden 2020.

Da das Thema Ortskern-Belebung von allen Parteien beackert wird, ist das eine wie das andere keine Angelegenheit einer einzigen Partei. Ich finde es schön, dass wir in diesem Projekt über Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam engagiert sind – für Westerkappeln.

Dass Einzelne das Projekt offenbar so abstoßend finden, dass sie es zu torpedieren suchen, steht auf einem anderen Blatt. Davon morgen oder übermorgen mehr.

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