25. August 2020

Vielleicht sollte ich einmal nicht nur spannende Bücher oder Zeitungsmeldungen zitieren, sondern mich zu meinen kurzen Hosen äußern.

Nicht, dass das wichtig wäre, aber ich hörte davon, dass einzelne und einige wenige Menschen sagten: das geht aber nicht für einen Bürgermeister. Und ein lieber Mensch, der mir sehr gewogen ist und mich auch wählen wird, sagte: „Du, ich weiß nicht, ob das mit der kurzen Hose überall so gut ankommt.“ Deshalb wird es Zeit, mich zu erklären.

Denn natürlich steht hinter meinen berühmt-berüchtigten Schlappen (von der Fa. Birkenstock, in Deutschland gefertigt) ein Statement und eine Idee.

Die Idee ist: Wer mich zum Bürgermeister wählt, der und die wählen mich wegen der Inhalte, nicht wegen Aussehen oder Mode. Denn das ist mir wirklich wichtig: dass ich wegen der Inhalte, für die ich stehe und für die ich werbe, gewählt werde, und nicht wegen Äußerlichkeiten.

Außerdem möchte ich damit zeigen: Ich werde mich nicht „verstellen“ und „verbiegen“, sondern der sein und bleiben, der ich bin. Das bedeutet nicht, dass ich bei bestimmten Terminen und Anlässen auch mal „ordentliche“ Schuhe anziehen werde; beim Gottesdienst trage ich auch keine Schlappen und keine kurzen Hosen. Aber ansonsten bin ich – ob als Pastor oder – wenn gewählt – als Bürgermeister ein Mensch, der das anzieht, worin er sich wohlfühlt. Das sind eben fair gehandelte T-Shirts aus Biobaumwolle und bequeme Hosen und Schuhe, die idealerweise in Deutschland hergestellt wurden.

Meine kurzen Hosen stammen übrigens aus einer Zeit, als ich noch aktiv Fußball gespielt habe. Sie waren noch nicht kaputt; also werfe ich sie auch nicht weg! Ich werfe Dinge, die noch brauchbar sind, nicht gerne weg. Ich werfe Dinge grundsätzlich nicht gerne weg; deshalb kaufe ich z.B. Milch und andere Getränke in Pfandflaschen, die wieder verwendbar sind. Und um LKW-Verkehr zu reduzieren, habe ich mir einen Streamer gekauft, mit dem ich das Mineralwasser selbst herstelle. Das spart Kosten und Wege und hilft der Umwelt. Ich finde es Wahnsinn, dass in der Modebranche inzwischen vier Kollektionen pro Jahr in die Läden kommen, damit sie gekauft – und nach wenigen Wochen weggeworfen werden. Was für eine Verschwendung!

Anderes Thema, aber nicht unpassend, wenn ich schon bei Kleidungs- und Stilfragen bin. Denn auch hier ist Klarheit wichtig und Erklärung tut not.

Ich wurde neulich mit der Frage konfrontiert, ob es nach der Säkularisation eigentlich legitim sei, als Pastor für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren.

Dazu muß man wissen: In Deutschland gilt die Trennung von Kirche und Staat, eine Verfassungskonstellation, die ich sehr befürworte und niemals in Frage stellen würde. Wer bei mir am Comenius-Kolleg Reli-Unterricht hatte, weiß, dass ich das bei der Behandlung der Barmer Theologischen Erklärung ausführlich im Rahmen der 5. These behandle.

Deswegen kandidiere ich auch nicht als Pastor für das Bürgermeisteramt, sondern als Bürger unseres Landes. Viele Bürgerinnen und Bürger haben einen Beruf: Winfried Raddatz ist Bau-Ingenieur und kandidiert für die SPD. Ich bin von Beruf Pastor und kandidiere für die Grünen. Er kandidiert nicht als Ingenieur und ich nicht als Pastor, sondern wir beide kandidieren als Bürger für dieses Amt.

Denn auch nach der Säkularisation geht der Staat nicht so weit, bestimmten Berufs- oder Bevölkerungsgruppen die bürgerlichen Rechte zu nehmen und z.B. bekennenden Christen oder Pastoren das aktive oder passive Wahlrecht vorzuenthalten.

So ergibt sich folgender Sachverhalt: Ich bin von meiner Ausbildung und vom Studium her evangelischer Theologe und arbeite als Pastor in der Ev. Kirchengemeinde Wersen-Büren. Auch das ist mir wichtig!

Wenn ich als Pastor in der ev. Kirchengemeinde Westerkappeln arbeitete, hätte ich mich für die Zeit bis zum Wahltag vom Dienst freistellen lassen – der Klarheit wegen, damit es nicht zu Interessen-Konflikten kommt. Da ich aber Pastor einer anderen Kirchengemeinde in Lotte bin und die evangelischen Gemeinden eigene Rechtssubjekte sind, kommt es hier nicht zu einem Interessenkonflikt.

Wie Winfried Raddatz seinen beruflichen Hintergrund nicht abstreifen wird, sondern im Falle seiner Wahl zum Wohle der Westerkappelner einsetzen wird, so kann ich meine pastorale Identität nicht abstreifen oder verleugnen.

Sollte ich tatsächlich zum Bürgermeister in Westerkappeln  gewählt werden, dann würde ich mich nach „Pfarrdienstgesetz“ für die Wahlperiode beurlauben lassen. Es ist zum Beispiel so, dass Pastoren, die zum Dienst im Gefängnis berufen werden, auch die Anstellungsträgerschaft wechseln für diese Zeit: Sie sind dann nicht mehr Kirchen-Beamte, sondern Beamte des Landes NRW für die Zeit in der JVA – ausgestattet wie Militär-Seelsorger mit besonderen Rechten im jeweiligen System, aber grundsätzlich zur Loyalität dem staatlichen Anstellungsträger verpflichtet.

Aber ich dürfte auch als Bürgermeister gelegentlich und auch regelmäßig predigen und Gottesdienste halten, dann ehrenamtlich. Denn ich verliere durch den Wechsel ins Amt des Bürgermeisters nicht meine Ordinationsrechte. Ich habe dem Presbyterium in Büren und den Schwestern und Brüdern in Wersen schon versprochen, dass ich für den Fall der Fälle auch weiterhin dort predigen werde – in meiner Freizeit am Sonntagmorgen, wenn es sich ergibt und wenn es gewünscht wird.

So viel zur Klärung von Mode- und Stilfragen für heute. Das alles ist aus meiner Sicht nicht der Aufregung wert und bald vergessen nach dem 13. oder 27. September, und zwar in beiden Fällen: wenn ich nicht gewählt würde und wenn ich gewählt werde.

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